Rudi Maurer:
2009 Frühtracht 31/01
Wie Butter im Kühlschrank nimmt Honig den Geruch der Sachen an, neben denen er liegt.
Seine erste Zeit verbringt der Honig im Bienenstock, in der Wabe, umgeben von Bienenwachs. Das schmeckt man. Den Anteil des Honigaromas, der von den Waben und nicht aus der Tracht kommt, ist die Wachsnote. Bei einem intensiven Sommertrachthonig bemerkt man sie kaum. Aber der Frühtrachthonig mit seiner durchscheinenden Aromatik offenbart, in welchem Zustand der Imker sein Wabenlager hält – im guten wie im schlechten.
Ob der Honig in ehemaligen Brutwaben landet, ob die Waben ein oder zehn Jahre alt sind, ob die Mittelwände für die Waben komisch gerochen haben – im Frühtrachthonig tritt das zutage. Der erste Honig des Jahres ist das Röntgenbild der Honigräume.
Diese Wachsnote ist erst ‚mal nichts schlechtes. Sie kann, wenn die Waben gut sind, dem Honig eine aparte aromatische Wendung geben. Heute geht es um einen Honig, bei dem die Integration der Wachsnote beispielhaft gelungen ist.
Rudi Maurer ist ein Qualitätsfreak. Mir fällt kaum jemand ein, von dem in Sachen Honigqualität in den letzten Jahren so viele Impulse ausgegangen sind wie von dem leisen Mann im Hintertaunus. Darüber wird ein andermal mehr zu erzählen sein. Jetzt ist sein Taunus-Frühtrachthonig dran, hier minimalistisch mit der oben genannten Nummer bezeichnet. Keine Lagenangabe: Rudi verschneidet charakterlich ähnliche, landschaftlich benachbarte Stände.
Im klassischen Twistoffglas mit Bioland-Label zeigt sich eine Farbe wie Lemon curd; im oberen Glasdrittel eine hübsche, weiße Blütenbildung. Diese ist typisch für Honige mit einem eher niedrigen Wassergehalt. Rudi pflegt seit Jahren einen trockenen Honigstil, und das in Perfektion. Lässig reizt er das optimale Feuchteintervall bis nach unten aus. Die Kunst ist, daß er das nie übertreibt. Keiner seiner Honige, die ich kenne, rutscht ins dröge oder zähe ab. Ob das Intuition oder jahrelange Erfahrung oder beides ist – er wird es nicht verraten.
Zurück zu seiner aktuellen Frühtracht. Die nennt Rudi „ganz ordentlich“. Na.
Die Textur ist stichfest und kernig, mit einer changierenden, feinen bis sehr feinen Kandierung. Am Gaumen entfaltet sich zu Beginn eine intensive, kühle, leicht reibende Glucosesüße – der Raps ist da, dominiert aber nicht. Der danach folgende Eindruck wechselt rasch ins Warme und bleibt dort – die Aromen aus dem Ahorntauanteil in der diesjährigen Frühtracht sind inzwischen schon alte Bekannte, hier begleitet von einem Hauch weißem Pfeffer. Und dann kommt die Wachsnote, und sie ist in diesem Honig von seltener Schönheit. Selbstbewußt und doch ganz zart, vollständig ins warmgefärbte Bukett eingebunden, als hätten die Bienen das Wachs in den Blüten gesammelt anstatt es auszuschwitzen. Gestern habe ich beim Backen gute Butter in warmer Milch geschmolzen – dieser Duft ist es, woran das erinnert. Kindheit, Bauernküche, Geborgenheit.
Schon im letzten Jahr hatte ich das in seiner Frühtracht bemerkt und es für mich dairy taste genannt, weil mir kein passender deutscher Begriff einfiel. Da war die Assoziation noch prompter. Jetzt liegt der Schleier der Tauwärme darüber – dadurch wirkt dieser Gedanke an ganz frische Milch und Butter etwas versteckter und noch verlockender.
Das Geheimnis dieses zarten, perfekt integrierten Wachsaromas ist Rudis Art, seine Honigräume zu führen. Die enthalten in seiner Imkerei nämlich ausschließlich unbebrütete Naturbauwaben – kein Gramm alten, wiedereingeschmolzenen Wachses, wie es gemeinhin üblich ist. Die Bienen haben die kompletten Waben für den Honig frei in leeren Holzrahmen errichtet, ohne jede Bauvorgabe durch Mittelwände. Diese sind in Rudis Betriebsweise dem Brutnest der Bienen vorbehalten, aus dem nie Honig geerntet wird. Zusätzlich sortiert er alternde Waben rigoros aus. Die Bienen bekommen an ihrer Stelle wieder einen leeren Rahmen, in dem sie sich frei bauend austoben dürfen. Heraus kommt ein Honig, der schmeckt, daß es eine Wonne ist.
„Ganz ordentlich.“ Bescheiden ist er ja. Im Gegensatz zu den Slowfood-Leuten aus dem Rheingau hatte ich noch nicht das Glück, Rudis Imkerei zu besuchen. Jetzt ist es endgültig an der Zeit.
Hallo Leute,
finde den Artikel sehr gut. Ich habe leider noch keinen Honig aus Naturwabenbau geniessen können, würde mich aber interessieren, ob man den Unterschied schmeckt.
Welches Beutensystem benutzt denn der Rudi? Kann er noch mehr über seine Betriebsweise erzählen?
Es grüßt
geeseanny
Danke für die Blumen, geeseanny!
Den Unterschied zwischen Naturbauwaben und mittelwandbasierten Waben schmeckt man. Wie sehr man ihn schmeckt, hängt aber von der Qualität der Mittelwände und dem Alter der Waben ab. In der Liebig-Betriebsweise z. B. sind Mittelwände im Honigraum vorgesehen; da sie aber dort nicht alt werden, empfinde ich die Wachsnote dabei fast immer als angenehm; sofern die Mittelwände gut sind, dröhnt sie nicht durch. Siehe zum Beispiel die Rezension zu Ralf Schönborns diesjähriger Frühtracht hier auf der Seite.
Zu Rudi Maurers Betriebsweise: Damit das hier auch für Nichtimker lesbar bleibt, schick’ ich Dir mal zwei Links aus dem Imkerforum.
http://www.imkerforum.de/showpost.php?p=67071
http://www.imkerforum.de/showthread.php?t=10488
Hallo,
gerade bin ich durch Zufall über Euer Blog gestolpert. Vielen Dank für die vielen neuen Eindrücke!
Ich möchte mir gerne diesen Artikel ausdrucken; ist das möglich?
Lieben Gruß,
Bernadett (IV Herdecke-Ende)
Hallo Bernadett,
am besten den ganzen Artikel markieren, kopieren, und in einer Textverarbeitung in ein leeres Dokument einfügen.
Liebe Grüße,
Johannes